Das Selbstverständnis des demokratischen Rechtsstaates ist durch ein facettenreiches Spannungsverhältnis von Moral und Recht geprägt. So bindet etwa das Grundgesetz mit der Verpflichtung zur Achtung und zum Schutz der Würde des Menschen wie auch mit dem Bekenntnis zu 'unverletzlichen und unveräußerlichen' Menschenrechten alles staatliche Handeln an zentrale Postulate einer universalistischen Moral. Wenn Menschenwürde keiner noch so mehrheitlichen Meinung zur Disposition stehen dürfen, müssen sie dem politischen Streit entzogen sein. Diesem konstitutionalistischen Verständnis des Rechtsstaates scheint ein radikaldemokratisches Modell der Republik entgegenzustehen, nach dem eine politisch autonome Gesellschaft allein vermittels Gesetzen auf sich einwirkt, die aus Verfahren chancengleicher Teilnahme an politischer Willensbildung hervorgehen. Nach diesem Modell kann es keine außerpolitische Quelle rechtlicher Legitimität geben. Doch was bedeutet es für den Legitimitätsanspruch des demokratischen Rechtsstaates, wenn er gar nicht allen von der Herrschaft 'Betroffenen' jene Rechte gleichumfänglich gewähren kann, die politische Autonomie konstituieren? Wie verträgt sich der idealisierte Gedanke einer vollständig inklusiven politischen Selbstbestimmung (Habermas) mit dem faktisch unausweichlichen Umstand, dass die Mehrheit der Rechtsadressaten immer einer Minderheit von Autoren gegenübersteht? Muss nicht jede realistische demokratische Lösung des juridischen Legitimationsproblems hinter dem kategorischen Anspruch zurückbleiben, den unverzagte Moraltheoretiker im Anschluss an Kant für das Menschenrecht reklamieren? Welche normative Rolle spielt dann der Begriff der Menschenwürde im diskurspragmatisch entschlüsselten Spannungsfeld von Moral und demokratisch erzeugtem Recht?