Umstritten war Benjamins Essay über Goethes berühmten Roman
Die Wahlverwandtschaften
von Beginn an: Manche hielten ihn für fesselnd, jedoch nur halb verständlich, andere würdigten das »beispiellose Eindringen ins Geheimnis«. Bis heute fasziniert die denkerische Unerbittlichkeit in diesem Aufsatz, den Benjamin als »exemplarische Kritik« für sein eigenes Zeitschriftenprojekt
Angelus Novus
geplant hatte. Publiziert wurde er schließlich 1924/25 in den von Hugo von Hofmannsthal herausgegebenen
Neuen Deutschen Beiträgen
.
Die im Rahmen der
Kritischen Gesamtausgabe
erscheinende Neuedition gewährt einen einzigartigen Einblick in Benjamins konzentrierte gedankliche und stilistische Arbeit. Erstmals sind sämtliche überlieferten, größtenteils unveröffentlichten Fassungen und Vorentwürfe versammelt. Sie werden im Kommentar vernetzt, der auch Benjamins eigenwilligen Umgang mit seinen Quellen nachvollziehbar macht sowie unbekannte Zeugnisse zur Publikation und Rezeption bietet. Somit liegen ein Jahrhundert nach der Erstpublikation endlich alle relevanten Dokumente zu diesem Gründungsdokument der Kulturwissenschaften vor.