Es ist ein ungleiches Paar, das kurz vor dem Zweiten Weltkrieg zusammen- kommt: die starke, lebensfrohe Marie-Louise - uneheliche Tochter eines bekannten französischen Arztes und Intellektuellen sowie einer gebildeten, doch lieblosen Österreicherin mit Schweizer Wurzeln - und der jüngere Heinz aus Ostpreussen, ein von Selbstzweifeln geplagter Träumer, der sich freimütig den nationalsozialistischen Ideen hingibt.
Mit viel psychologischem Feingefühl schildert die 82-jährige Autorin die Geschichte ihrer Eltern, von deren Kindheit zu Beginn des 20. Jahrhunderts bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs. In der chronologischen Erzählung kombiniert sie geschickt Dialoge mit inneren Monologen, Gedichten ihres Vaters und erhaltenen Briefen. Hinzu kommen Chroniken, die am Anfang jedes Kapitels wichtige politische und gesellschaftliche Ereignisse der dama- ligen Zeit in Erinnerung rufen.
Mit einem doppelten Blick auf das Individuum und auf die Gesellschaft verdeutlicht der Roman, wie stark persönliche Erlebnisse, familiäre Strukturen, gesellschaftliche Diskurse und politische Überzeugungen das Denken, Fühlen und Handeln eines Einzelnen prägen können, und wie komplex die Frage nach der Verantwortung eigenen Handelns ist.
Ilse Krüger ist ein hochinteressantes, vielschichtiges Werk gelungen, dessen berührende Dialoge uns in die Zeit zwischen 1911 und 1945 zurückführen.