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Am 21. November 1949 erschien der erste Artikel in Sigi Sommers Kolumne "Blasius der Spaziergänger" - über 3500 sollten es werden, und 37 Jahre lang sollten sie erscheinen. Bis 1987 hielt Blasius allfreitäglich in der Münchner "Abendzeitung" Rückschau auf die Ereignisse der Woche - nach Münchner Art: grantelnd, augenzwinkernd, tratzend, stichelnd, aber nicht verletzend.
Die Figur des Blasius machte Sigi Sommer schon zu Lebzeiten zu einer Legende, sein Name wird - und das ohne Übertreibung - in einem Atemzug mit dem Weiß Ferdl, Liesl Karlstadt oder Karl Valentin genannt. Er war aber nicht "nur" ein freches und humorvolles Lästermaul und ein Großmeister der Wortneuschöpfungen, Sprachspiele und immer neuer und überraschender Metaphern und Vergleiche, sondern auch ein ungemein scharfsichtiger und feinfühliger Chronist, ein Zeitaufschreiber, der die Jahrzehnte seines Lebens von allen Seiten beleuchtet, auch den dunklen und schwer einsichtigen. Er dokumentiert den zeitgeschichtlichen Wandel und zeichnet ein vielfarbiges und lebendiges Sittenbild des 20. Jahrhunderts bis in die 80er Jahre hinein.
Seinen Roman "Und keiner weint mir nach" aus dem Jahr 1953 über die Bewohner einer Giesinger Mietskaserne vergleicht Wolfgang Koeppen mit J. D. Salingers zwei Jahre zuvor erschienenem "Fänger im Roggen", Bertolt Brecht bezeichnete ihn gar als den "besten Roman, der nach dem Krieg in Deutschland geschrieben wurde".
"An einem Tag im grauen Mond Dezember 1984" löste Sigi Sommer seinen legendären Stammtisch im Münchner Augustiner-Keller auf, seinem verlängerten Wohnzimmer, in dem sich über Jahr-zehnte hinweg eine wohlausgesuchte Gesellschaft aus Zeitungskollegen, Sportgrößen, Stars aus dem Show- und Filmgeschäft, Politikern und allerlei sonstigem Promi-Volk zur Tafelrunde traf; die letzte Blasius-Kolumne erschien am 2. Januar 1987. Am 25. Januar 1996 starb er in einem Münchner Pflegeheim. |