Obwohl Sigmund Freud ein rein naturwissenschaftliches Verständnis der menschlichen Seele proklamierte, verwendete er als fundamentalen Baustein der Psychoanalyse den altgriechischen Ödipusmythos. Eingeschränkt durch seine atheistische und materialistische Weltsicht gelang es ihm aber nicht, den anthropologischen Wahrheitsgehalt der Ödipusgeschichte auszuschöpfen. Das Buch zeigt diesen Mangel auf und legt das dialektische Spannungsfeld des Ödipusmythos frei. Dabei wird deutlich, dass der dort beschriebene Konflikt eine erstaunliche Übereinstimmung mit dem biblischen Mythos der ursprünglichen Gottentfremdung des Menschen aufweist. Die Hybris dort entspricht der Sünde hier. Die Psychodynamik des Konflikts ist ein entwicklungspsychologisch zu verstehendes anthropologisches Existenzial. Dies lässt sich mit dem Entwicklungsmodell des Säuglingsforschers Daniel Stern nachweisen, das in diesem Buch ausführlich dargestellt wird. Sterns Modell fügt sich wiederum nahtlos mit dem Kreuz der Wirklichkeit des Soziologen Eugen Rosenstock-Hussy zusammen, das den Entwicklungsprozess des Menschen in ontologische Sprachkategorien fasst. Daraus folgt eine erweiterte Epistemologie der Psychoanalyse mit hoher Relevanz für die Praxis.