Beinahe zeitgleich mit der im November 1913 eröffneten Ausstellung der Funde von Tell el-Amarna im Berliner Ägyptischen Museum erschien Die Plastik der Aegypter von Hedwig Fechheimer (1871-1942). Die Ausstellung eröffnete Interessierten einen neuen Zugang zur ägyptischen Kunst in einer Zeit, die von kunsttheoretischen Debatten und den Auseinandersetzungen um Neo-Impressionismus, Kubismus und Expressionismus geprägt waren. Anders als Ägyptologen vom Fach, die damals fast durchgängig die archäologischen Überreste unter historischen und nicht unter ästhetischen Gesichtspunkten beurteilten, deutet Hedwig Fechheimer die Bestrebungen der ägyptischen Künstler als denen ihrer modernen Kollegen eng verwandt. Sie leugnete damit das seit Winckelmann gültige Dogma, das die ägyptische Kunst zu einer Vorläuferin der griechischen, wie sie schreibt, "herabgewürdigt" hat. Ihre Überlegungen sind mit denen von Carl Einstein zum Kubismus und zur ägyptischen und außereuropäischen Kunst verwandt; die Nähe zeigt sich besonders bei Einsteins Negerplastik von 1915. Sylvia Peuckert kann nun nachweisen, dass Fechheimer und Einstein bereits seit 1905 befreundet waren, 1910 gemeinsam nach Ägypten reisten und somit beiden Büchern eine lange Phase des geistigen Austausches vorangehen konnte. Bislang fehlten eine Auseinandersetzung mit Fechheimers eigener Deutung der ägyptischen Kunst und die Biographie einer Frau, die sich in ihrer Jugend mit den Restriktionen des Frauenstudiums im Deutschen Reich konfrontiert sah und im Alter von 71 Jahren einer Deportation nur durch die Flucht in den Tod entziehen konnte.