Horae zerstreut Gattungen. Horae ist ein Zyklus, der die Genreund die Genien hintergeht. Ist ein zyklischer Widerstand.Horae überlagert sich. Dreht um. Und umher. Wächst an.Zu den püppchenhaften Versen, wütenden Gesängen und theoretischen Sagen. Er echot nicht. Versucht.Versucht Form, Vorgabe, Begriff. Wiederholt in Modellen, Kontexten und Konzepten. Vieltönig. Wacker in Unschuld und wacker in Schuld. Zu Vergessen und Strafen, Erinnern und Vorfühlen führt es. Zur Wiederkehr. Horae ist ein Rundschreiben.Horae ist Text von Mythos und Märchen, von Markt, Mode und Massenmord. Horae redet dagegen und spricht von Poiesis, Pomp, Pathos, Paradox, Papa, Poetik, Porno. Hört zu:
In dem Satz, dass die Welt aus den Fugen sei, steckt zumindest die Behauptung, dass die Welt einmal gefügt war. Aber das war sie nie, von Anfang an zeigt sie sich als Gegenüber, mit dem man irgendwie verbunden ist. Man ist sein Teil und ist es nicht. Und die Frage der Orientierungslosigkeit, ist eine Frage der ordnungsgebenden Instanz, die wir fraglos selber sind, in deren Funktion wir noch immer versagten, "draußen im Leben". Wir versagten immer, hätten wir nicht die Kunst, um diesen Zustand zu betrauern und in der Trauerarbeit eine Form zu entwickeln, die aufgeht, einen Abguss der Welt, der funktioniert, und der deshalb nie realistisch sein kann. Einen solchen furiosen Weltentwurf legt Swantje Lichtenstein mit Horae vor.Sechs Kapitel, jedes einem Widerstand gewidmet, eröffnet von einem Gedicht, das aus sechs Zweizeilern besteht, denen sich zwölf Gedichte anschließen, die mit einem Vers aus den Zweizeilern eröffnen und jeweils zwölf Verse aufweisen, die in vier Strophen gegliedert sind. Eine fast Schönbergsche Ordnung, denn wie in der Zwölftonmusik kehrt alles was aufgerufen ist, irgendwann wieder, nichts wird preisgegeben, eine Ordnung der Beschwörung.Ein Vorsatz und ein Nachsatz, der die Behauptung aufstellt, dass man auch von hinten beginnen könne. Gewissermaßen ist die textliche Anordnung eine Form der Harmonie, die durch ihre Kugeligkeit eine gewisse Hermetik antäuscht. Die Sprache aber ist furios und man kann in jedem Moment einsetzen.Da ist es gut, wenn man sich zunächst den Illustrationen von Lisa Wilkens widmet. Wobei das Wort Illustration den Kern der Sache verkennt. Man muss eigentlich sagen, dass dem Lichtensteinschen Gedichtgebilde ein herrlicher Zyklus Wilkenscher Radierungen beigegeben ist. Der Verlag begründet das mit dem sich Ähneln der Arbeitsweisen und Techniken, immer wieder werde die Oberfläche der Gebilde aufgeraut, angekratzt, gewissermaßen zerstört, um letztlich zum Kern der Arbeit zu kommen, der ja auch wieder Oberfläche ist.Denn nur auf Oberflächen herrscht Kunst. Es handelt sich also um sechs Radierungen, die das Werk einerseits ergänzen, die es mir aber auch eröffnet haben, denn wie ein Kind habe ich zuerst die Bilder angeschaut, und eines zeigt einen Hirsch, aufgehängt wahrscheinlich nach seiner Tötung. Besonders lange blieb ich an diesem Bild hängen, an der Darstellung eines vergangenen Lebens.Horae ist die griechische Göttin der Natur und der Jahreszeiten, die im Verlaufe eines Jahres altert und verjüngt